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Landgericht Hamburg Beschluss im Verfahren eines Anlegers gegen die BW Bank

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Landgericht Hamburg Beschluss Az.: 327 OH 2/16 In der Sache

Dietmar Steinwandel, Schauinslandweg 11, 78628 Rottweil

– Antragsteller –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Hahn, c/o Emporio Tower, Valentinskamp 70, 20355 Hamburg

gegen

1) – Antragsgegner –
2) Baden-Württembergische Bank, vertreten durch den Vorstand Hans-Jörg Vetter, Kleiner Schlossplatz 11, 70173 Stuttgart
– Antragsgegnerin –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte White & Case LLP, Bockenheimer Landstraße 20, 60323 Frankfurt

Nebenintervenientin zu 2:
Bankhaus Wölbern & Co (AG & Co. KG) i.L., vertreten durch den Liquidator HFI Hansische Vermögensverwaltung AG i.L., dieser vertreten durch die Abwickler Arno Wascheck und Ulrich Wieczorek, vertreten durch d. persönl. haft. Gesellschafter, Am Sandtorkai 54, 20457 Hamburg

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Luther, Rothenbaumchaussee 20, 20148 Hamburg

Nebenintervenientin zu 2:
Deloitte GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, vertreten durch d. Geschäftsführung, Rosenheimer Platz 4, 81669 München

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Wirsing, Hass, Zoller, Maximilianstraße 35, 80539 München

beschließt das Landgericht Hamburg – Zivilkammer 27 – durch
die Vorsitzende Richterin am Landgericht Zöllner, den Richter am Amtsgericht El Sarise und
den Richter am Landgericht Führer am 09.02.2017:

I.

Dem Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg werden gemäß § 6 Abs. 1 KapMuG folgende Feststellungsziele zum Zwecke der Herbeiführung eines Musterentscheids vorgelegt:

1.

Der am 18.09.2006 von der Wölbern Konzept GmbH und dem Bankhaus Wölbern & Co. (AG & Co Kg) i.L. veröffentlichte Prospekt für die SCI Vierte IFF geschlossener Immobilienfonds für Frankreich, ist in wesentlichen Punkten unrichtig und damit insgesamt unvollständig und irreführend, insbesondere

a) enthält der Prospekt nur einen unzureichenden Hinweis auf die Besteuerung des Verkaufserlöses im Falle eines vorzeitigen Verkaufs der streitgegenständlichen SCI- Anteile;

b) enthält der Prospekt keinen notwendigen Hinweis auf die gesellschaftsvertraglich geregelte Rückzahlungsverpflichtung erhaltener Ausschüttungen, die keine echten bilanziellen Gewinne darstellen;

c) enthält der Prospekt nur unzureichende Angaben in Bezug auf den Ausschluss der grundsätzlich bestehenden subsidiären, quotalen persönlichen Haftung als Gesellschafter der streitgegenständlichen SCI;

d) dass die Angaben zur persönlichen Haftung in der Prognoserechnung im Prospekt auf den Seiten 54-55 unrichtig sind;

e) enthält der Prospekt keinen ausreichenden Hinweis auf die direkte, nicht subsidiäre persönliche Haftung als Gesellschafter einer SCI für Steuerschulden;

f) enthält der Prospekt keinen ausreichenden Hinweis auf die Möglichkeit der Erhöhung des Volumens der persönlichen Haftung bei Insolvenz eines Mitgesellschafters;

g) ist die Zusicherung im Prospekt auf Seite 19 falsch, dass die Geschäftsführung der SCI die bestehenden vertraglichen Beziehungen der SCI zu Dritten mit Non-Recourse-Klauseln versehen hat, da weder die Mietverträge noch der abgeschlossene Zinsswapvertrag nebst Rahmenvereinbarung entsprechende „Non-Recourse-Klauseln“ beinhalten;

h) enthält der Prospekt nur unzureichende Hinweise auf die nicht bestehende Verpflichtung zum Abschluss von „Non-Recourse-Klauseln“ bei zukünftigen Verträgen;

i) enthält der Prospekt keinen Hinweis auf die eigentlichen Kosten des Zinsswapvertrages vom 13. Juli 2006;

j) sind die Ausführungen im Prospekt auf den Seiten 16 und 22 zu den Chancen und Risiken einer Zinsänderung falsch;

k) enthält der Prospekt keinen Hinweis auf das aus der die Laufzeit des Darlehens überschreitenden Laufzeit des Swaps resultierende Zinsspekulationsrisiko;

l) enthält der Prospekt keinen Hinweis auf den aus der im Verhältnis des Darlehens zum Swap längeren Laufzeit des Swapvertrags resultierenden negativen Barwert des Swaps;

m) fehlt ein Hinweis auf die gesetzliche Mietanpassungsmöglichkeit gem. Art. L-145-39 des Code de Commerce bereits während der Laufzeit des Mietvertrages;

n) ist die Zusicherung auf Seite 43 des Prospektes falsch, dass die zu erzielende Miete laut vertraglicher Vereinbarung niemals unter die anfängliche, vereinbarte Miete fallen könne;

o) ist die Zusicherung auf Seite 23 des Prospektes falsch, dass die erwähnte Feri Rating Research GmbH für die Immobilie eine hohe Wertzunahme der Fondsimmobilie prognostiziert hatte;

p) sind die Verkaufsprognosen auf Seite 53 des Prospektes fehlerhaft, da dort die im Falle des Verkaufs anfallende Registersteuer nicht mit berücksichtigt wurde.

2.

Das jeweils beratende Kreditinstitut haftet gem. §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB bezüglich der in Ziffer 1. genannten Kapitalanlage wegen mangelnder Plausibilitätsprüfung mit bankkritischem Sachverstand und Unterlassung der gebotenen Aufklärung darüber, dass eine öffentliche Kapitalmarktinformation falsch oder irreführend ist.

3.

Das jeweils beratende Kreditinstitut hätte die oben unter 1. genannten Fehler des Prospektes im Rahmen seiner Plausibilitätsprüfungspflicht mit bankkritischem Sachverstand erkennen müssen und sie an den jeweiligen Anleger weitergeben müssen.

4.

Das jeweils beratende Kreditinstitut hätte ihm vorliegendes Sonderwissen aus dem Prospektprüfungsgutachten der Deloitte & Touche Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom 16.10.2006 mbH im Zusammenhang mit der Verkaufsprognose der Feri Rating Research GmbH an den jeweiligen Anleger weitergeben müssen.

5.

Eine falsche Kapitalmarktinformationen kann unabhängig von der Frage der Übergabe des Prospektes der unter Ziffer 1. genannten Anlage und unabhängig von der Frage, ob der Anleger den Prospekt zur Kenntnis genommen hat, im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 1. Alt. KapMuG verwendet worden sein und zugrundeliegende Schadensersatzansprüche können wegen fehlerhafter Anlageberatung in den Anwendungsbereich des KapMuG fallen.

6.

Ein Unterlassen der Aufklärung über eine fehlerhafte Kapitalmarktinformation kann unabhängig von der Übergabe und Verwendung des Prospektes vorliegen, soweit in den Beitrittserklärungen mitgeteilt wird, dass für die Beteiligung ausschließlich der Inhalt des Prospekts und der vorgenannten Verträge maßgebend ist.

II.

Dieser Vorlagebeschlusses und das Datum seiner Veröffentlichung sind gemäß § 6 Abs. 4 KapMuG im Klageregister öffentlich bekannt zu machen.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte zu 2 aus Prospekthaftung im weiteren Sinn im Zusammenhang mit einem geschlossenen Immobilienfonds in Anspruch.

Gegenstand des vorliegenden Antrags ist die in dem als Anlage K 3 vorgelegten Verkaufsprospekt beschriebene „SCI Vierte IFF geschlossener Immobilienfonds für Frankreich“. Anbieter war das Bankhaus Wölbern & Co. mit Sitz in Hamburg, als weitere Prospektverantwortliche wird die Wölbern Konzept GmbH in dem Verkaufsprospekt genannt.

Der Kläger zeichnete nach Beratung in den Räumen der Filiale der Beklagten zu 2 am 05.03.2007 den als Anlage K 2 vorgelegten Zeichnungsschein.

Der Kläger macht geltend, dass er über die Risiken der Beteiligung falsch aufgeklärt und beraten worden sei und er sich bei zutreffender Aufklärung und Beratung an der Gesellschaft nicht beteiligt hätte. Der Emissionsprospekt sei – für die Beklagte zu 2 erkennbar – aus den unter I. 1. des Beschlusstenors genannten Gründen fehlerhaft gewesen.

II.

1.

Das Landgericht Hamburg ist für die Entscheidung über den Vorlagebeschluss als Prozessgericht, bei dem der erste bekannt gemachte Musterverfahrensantrag gestellt wurde, gem. § 6 Abs. 2 KapMuG zuständig.

2.

Die Voraussetzungen für eine Vorlage an das Hanseatische Oberlandesgericht nach § 6 Abs. 1 S. 1 KapMuG liegen vor, da nach Stellung des vorliegenden Antrags neun weitere, gleichgerichtete Anträge im Bundesanzeiger veröffentlicht wurden.

3.

Die Musterverfahrensanträge sind statthaft, denn die geltend gemachten Ansprüche fallen in den Anwendungsbereich des § 1 KapMuG. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 KapMuG sind insbesondere Ansprüche wegen Verwendung einer falschen oder irreführenden öffentlichen Kapitalmarktinformation musterverfahrensfähig. Um solche Ansprüche handelt es sich vorliegend; der Kläger begründet seine Klage mit Ansprüchen aus unterlassener Aufklärung und irreführenden Prospektangaben und damit mit Prospekthaftung (im weiteren Sinne). Kern der vorgeworfenen Pflichtverletzungen ist die klägerseitige Behauptung, dass der Emissionsprospekt falsch, unvollständig und irreführend sei, die Beklagte zu 2 als beratendes Kreditinstitut dies hätte erkennen können und müssen und den Kläger über Fehler des Emissionsprospekt hätte aufklären müssen, und dies auch unabhängig von einer körperlichen Übergabe des Prospekts.

Die Feststellung der Verantwortlichkeit des beratenden Kreditinstituts für die Prospektfehler ist ebenfalls musterverfahrensfähig. Ausweislich der Antragsbegründung ist mit der Formulierung der genannten Feststellungsziele die Prospektverantwortlichkeit des beratenden Kreditinstituts gemeint, also die Frage, ob die beratende Bank für etwaige Prospektfehler haftet, weil ihr den Anlegern gegenüber eine entsprechende Aufklärungspflicht oblag, die durch den Prospekt erfüllt werden sollte. Damit wird folglich (nur) das Vorliegen einer anspruchsbegründenden Voraussetzung i.S.d. § 2 Abs. 1 KapMuG und damit eine im Musterverfahren zulässige Feststellung begehrt. Eine Begrenzung des Ausspruchs im Musterentscheid bleibt dabei ohnehin dem Oberlandesgericht unbenommen.

4.

Soweit die Beklagte zu 2 und die Streitverkündete zu 3 darüber hinaus die Zulässigkeit der Musterverfahrensanträge in Abrede stellen, folgt die Kammer dem nicht:

a) Die Musterverfahrensanträge sind nicht deswegen unzulässig, weil die Feststellungsziele nicht relevant für den Rechtsstreit seien.

Die Klage ist insbesondere nicht unabhängig von den Feststellungszielen entscheidungsreif. Die Auffassung, die Klage sei ohne Beweisaufnahme abweisungsreif, weil eine ordnungsgemäße Prospektprüfung vorgelegen habe, führt schon deshalb nicht zur Unzulässigkeit des Antrags, da diese Frage mit den Feststellungszielen teilweise erst geklärt werden soll (vgl. oben I. 3 und 4). Darüber hinaus hat die Kammer im Gegenteil in anderen den vorliegenden Prospekt betreffenden Verfahren entschieden, dass bei einer kritischen Prüfung des Prospektes diverse Unstimmigkeiten ersichtlich werden, und auch das Prospektprüfungsgutachten auffällige Unklarheiten und irreführende Darstellungen der Risikoangaben enthält, was auf weitere Unrichtigkeiten des Prospekts schließen lässt. Dass die beratende Bank den Prospekt gleichwohl in ihr Beratungsprogramm aufgenommen hat, lässt sich nur mit einer fehlenden kritischen Prüfung von Prospekt und Gutachten erklären (327 O 618/14, BeckRS 2016, 01891; 327 O 45/15, BeckRS 2016, 12238).

Der Antrag ist auch nicht deshalb unzulässig, weil die Klage wegen Verjährung und fehlender Kausalität der Prospektfehler entscheidungsreif wäre. Es kann dahin stehen, ob seitens der Beklagten zu 2 insoweit überhaupt ausreichend substantiierter Vortrag vorliegt. Jedenfalls ist der Rechtsstreit unter diesen Gesichtspunkten ganz offensichtlich nicht zugunsten der Beklagten zu 2 entscheidungsreif.

b) Der Musterverfahrensantrag ist auch nicht wegen Prozessverschleppung unzulässig, weil die Durchführung des Musterverfahrens mehr Zeit in Anspruch nehmen würde als das Klageverfahren. Abgesehen von der einem Musterverfahren immanenten und daher hinzunehmenden Verzögerung, fehlt es an jeglichen nachvollziehbaren Anhaltspunkten, die den Schluss auf eine unzumutbare Verzögerung zu ließen.

5.

Der Beschluss ist mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar, § 6 Abs. 1 S. 2 KapMuG.

Zöllner El Sarise Führer
Vorsitzende Richterin am Landgericht Richter am Amtsgericht Richter am Landgericht

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